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Dizzy Gillespie begegnet der Baha'i-Religion

Autorenbild: RedaktionRedaktion

Eine Dame aus dem Publikum brachte Dizzy Gillespie mit der Baha'i-Religion in Berührung. Die Kanadierin Beth McKenty hatte eine seiner Shows in Milwaukee besucht. Der tragische Tod Charlie Parkers, Saxophonist und einer der Väter des Bebop, hatte sie dazu gebracht, sich an Dizzy Gillespie zu wenden. Parker hatte Gillespie einmal „die andere Hälfte meines Herzens“ genannt. Er starb 1955 im Alter von 34 Jahren nach langer Drogensucht.


Dizzy Gillespie

„Beth rief Dizzy an, sagte ‚Charlie Parker hätte nicht auf diese Weise sterben müssen‘ und fragte, ob sie mit ihm sprechen könnte“, erinnert sich Mike Longo. „So kam es, dass sie Dizzy noch am gleichen Abend gemeinsam mit ihrem Ehemann besuchte, ihm von der Baha'i-Religion erzählte und ihm viel Literatur darüber gab.“


Nachdem er diese Schriften eine ganze Weile intensiv gelesen und studiert hatte, nahm Gillespie den Baha'i-Glauben offiziell am 5. April 1968 an, dem Abend nach der Ermordung des Menschenrechtsvorkämpfers Dr. Martin Luther King Jr. . Der Musiker fühlte sich davon angezogen, dass die Baha'i-Lehren ganz besonderen Wert auf die Einheit legen, vor allem auf die Harmonie von Wissenschaft und Religion, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Einheit der ganzen Menschheit:


... hat doch jedes Zeitalter einen besonderen Geist, und liegt doch der Geist dieses erleuchteten Zeitalters in den Lehren Baha'u'llahs; denn sie begründen die Einheit der Menschenwelt und verbreiten weltumspannende Brüderschaft. Sie beruhen auf der Einheit von Wissenschaft und Religion sowie auf dem Forschen nach Wahrheit. Sie vertreten den Grundsatz, dass die Religion Freundschaft, Einheit und Einklang unter den Menschen bewirken muss. Sie begründen die Gleichwertigkeit beider Geschlechter und vertreten wirtschaftliche Grundsätze für das Glück jedes Menschen.

Er und ich waren beide sehr aufgebracht wegen des Rassismus hier, mit all den Unruhen und allem“, sagt Longo. „Wir redeten und ich sagte‚ so darf es nicht sein‘, und ich kann mich erinnern, dass wir sagten‚ da muss es doch jemanden geben, der für das steht, was wir fühlen‘ und an dem Punkt entdeckte er den Glauben.“


In seiner Autobiographie „To Be or Not to Bop“ schrieb Gillespie: „Als ich die Baha'i-Religion kennenlernte, stand sie völlig im Einklang mit dem, woran ich bereits glaubte. Ich glaubte an die Einheit der Menschheit, ich glaubte, dass wir alle aus derselben Quelle stammen und dass keine Hautfarbe einer anderen überlegen ist.“ (Gillespie, Al Frazer: To Be Or Not … To Bop. Memoirs. Hannibal, Wien 1988.)


Dizzy war auf diese Schwingungen eingestimmt“, sagt Longo.


Gillespie hatte sich schon lange dafür interessiert, den Rhythmus und die Harmonien diverser Kulturen zu erforschen und Longo glaubt, dass sich Dizzys Musik deutlich weiterentwickelt hat, nachdem er die Baha'i-Lehren angenommen hatte.


Sie wurde tiefer“, sagt er. „Wenn du seine Musikaufnahmen chronologisch anhörst, als er die afrokubanische Seite in sich aufnahm, da ging die Musik viel weiter in die Tiefe ... und erreichte Weltniveau. Und wenn du dann an den Baha'i-Glauben denkst, da spiegelte sich wieder, wie alle Menschen zusammenkamen, da erhob sich [seine Musik] auf ein Niveau, das der Perfektion so nahe kommt wie ein Mensch ihr nur nahekommen kann.“


Baha'i zu werden hat Gillespies Leben in jeder Hinsicht beeinflusst. Es gab ihm, so schrieb er, „ein neues Beziehungskonzept – zwischen Gott und dem Menschen - zwischen dem Menschen und seinen Mitmenschen – dem Menschen und seiner Familie.“


Ich entwickelte ein stärkeres spirituelles Bewusstsein und wenn du spirituell bewusst bist, spiegelt sich das in deiner Arbeit wieder“, schrieb Gillespie. Jazzmusiker, so glaubte Gillespie, gehören zu „den Leuten, die am besten mit dem Universum ‚mitschwingen‘.“


Was ist besser, als ein Musiker, der auf die Natur und unseren Schöpfer eingestimmt ist?“ schrieb er. „Das beste Beispiel dafür ist die Art und Weise, wie sie vortragen; wie kommen sie auf Dinge, die noch nie zuvor gespielt wurden? Woher haben sie das? Sie müssen irgendeine Art von göttlicher Inspiration besitzen.“


Longo stimmt zu. „Diese Musik kommt nicht vom Denken. Du kannst nicht gleichzeitig denken und spielen. Sie kommt von jenseits des Verstandes, das heißt, dahinter ist sowas wie ein Ort der Glückseligkeit, total spirituell. Das ist die beseelende Kraft für unsere Musik. Tatsächlich die jeder Kunst und auch der Wissenschaft. Die Macht, die Baha'u'llah [Stifter der Baha'i-Religion] entfesselte, ist die beseelende Kraft der Künste.“


Dizzy sagte, ‚Was du hörst, ist das Göttliche in der Musik.‘“.


United Nation Orchestra


Gillespie war lange unter uns“, fügt Martin Gayford hinzu, „von den 1940ern bis in die 1990er. So wurde er zu so etwas wie einem ‚Elder Statesman‘ des Jazz und großen Förderer junger Talente.“


Die ehrgeizigste und letzte Verbindung seiner Musik mit seinem Glauben war Gillespies Gründung seines „United Nation Orchestra“, mit dem er in den 1980ern um die Welt tourte. Das Baha'i-Prinzip der Einheit, die kulturelle Vielfalt bewahrt und feiert, war dabei die Hauptinspiration. Er stellte diese Big Band aus hervorragenden jungen Musikern, Instrumentalisten und Sängern, aus den USA, Brasilien, Kuba und Panama zusammen.


Daran glaubte er“, sagte Longo, „und deshalb war das das Konzept des United Nation Orchestra.“


In der Baha'i-Religion glauben wir nicht daran, Gutes über Bord zu werfen“, schrieb Gillespie. „Dein kulturelles Erbe über Bord werfen? Baha'i glauben daran, dass du es einbringst und mit anderen zusammenarbeitest. Trage damit zum Ganzen bei, wie bei einem Meisterwerk. Wenn ich lila bin und ein anderer Typ ist orange, bedeutet das nicht, dass wir nicht gemeinsam zu Teilen einer einzigen großen Komposition werden können, die sich gegenseitig bereichern. Trage schlicht mit dem dazu bei, was du in deiner eigenen Einzigartigkeit findest, aber mische dich nicht in ihren Groove ein. Halte dich aus ihrem raus!“


Bleibendes Vermächtnis


Dizzy Gillespie, der 1993 im Alter von 75 Jahren verstarb, wird nach wie vor von Musikenthusiasten weltweit verehrt. Seine Musik wird an Hochschulen erforscht und ist Gegenstand von Symposien; seine Aufnahmen werden remastered, wieder aufgelegt und von jüngeren Generationen wiederentdeckt. [2017 fanden] rund um den Globus Tribut-Konzerte zu Ehren seines 100. Geburtstages statt.


Wenn du jemandem Tribut zollst, entsteht die Frage – imitierst du ihn?“ sagt James Morrison. „Und ich glaube, auf den Klang bezogen – nein. Es gibt erkennbare ‚Dizzyismen‘ im Geschehen, aber ein wahrer Tribut soll eine Atmosphäre kreieren. Es ist immer so, als würde er Party machen und die auf die Bühne bringen. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich genau das auch wollte.“


Aber Mike Longo glaubt, Gillespies Musik wurde noch nicht wirklich verstanden. Bei dessen Beerdigung sprach Longo 1993 zur Trauergemeinde, dass „viele Leute zwar das kannten, WAS Dizzy spielte, aber sie wussten nicht, WIE er spielte.“


Die meisten Lehrer und so weiter imitieren das zur Zeit,“ sagt er. „Sie verstehen das Konzept nicht, sie verstehen die Noten. Also imitieren sie die Noten und versuchen das Gefühl zu imitieren, aber sie kommen nicht auf die Essenz. Also wird er noch nicht wirklich gewürdigt.“


Könnte noch 100 Jahre dauern, bevor es soweit ist,“ lacht Longo.


 

Dieser Artikel verwendet Passagen eines Artikels, der zum 100. Geburtstag Dizzy Gillespies 2017 erschien. Der darin zitierte Mike Longo war langjähriger musikalischer Leiter der Band Dizzy Gillespies.


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