Ein Dialogbeitrag zu Was mein Ja zu Baha'u'llah für mein Ja zu Jesus bedeutet
Ingo Hofmann im Gespräch mit Sören Rekel-Bludau
Was ist ein Dialogbeitrag?
Frage: Du hast in deinem Beitrag vom November 2021 beschrieben, wie du Nächstenliebe in allen Religionen finden konntest – bis hin zur Baha'i-Religion. Wie geht es dir ganz persönlich mit dieser Überzeugung jetzt, nachdem in den Jahren danach zwei Kriege ausbrachen, die in Europa spürbare Veränderungen und Wellen von Hass auslösten?
Die Ereignisse der letzten Jahre bestärken mich eigentlich nur noch mehr in meiner Überzeugung, dass Religionen immer nur so gut oder schlecht sind, wie die Menschen, die sie leben. Wenn ich will, kann ich jede Religion zu einem Instrument des Hasses machen. Nicht umsonst hat auch Baha'u'llah in seinem Testament davor gewarnt. Das wäre nicht nötig, wenn die Religion allein irgendjemanden zu einem besseren Menschen machen würde. Wichtig ist, dass die Menschen guten Willens aus allen Religionen weiterhin im Gespräch bleiben und sich nicht auseinandertreiben lassen. Denn wenn das passiert, dann waren 100 Jahre des interreligiösen Dialogs und alle errungenen Fortschritte umsonst.
Frage: Als Geschäftsführers des Bundeskongresses der Räte der Religionen hast du das diesjährige Jahrestreffen unter dem Motto „Sich als Menschen begegnen – Ein Rezept gegen die Sprachlosigkeit unserer Zeit“ erlebt. Was war das Wichtigste, das du auf der inhaltlichen Seite hierzu mitgenommen hast?
Dass es nicht reicht, sich intellektuell über Themen auszutauschen. Ein Miteinander kann nur gelingen, wenn tiefe emotionale Beziehungen zwischen Menschen mit unterschiedlichen Herkünften und Erfahrungen entstehen. Bei dem Friedenskonzert im Rahmen des Kongresses hat beispielsweise ein syrischer Pianist seine Fluchterfahrungen besungen und jeder im Raum konnte seinen Schmerz durch die Musik hindurch spüren. Das war eine eindrückliche Erfahrung bedingungsloser Empathie. Davon braucht es dringend mehr.
Frage: Reicht die Begegnung der Menschen aus, wenn wir erleben, dass Politik und Machtstreben bestehende Gräben vertiefen und neue schaffen? Haben die Nationen versagt, obwohl sich die meisten Menschen nach Frieden sehnen? Und wo stehen die Religionen dabei, die auch Frieden predigen?
Ich halte jedenfalls den Gedanken, dass die Strukturen sich schon ändern werden, sobald sich die Menschen geändert haben, für zu kurz gegriffen. Beides muss m.E. Hand in Hand gehen. Der aktuelle politische Betrieb mit seinem Fokus auf Macht und Mehrheit ist ein sich selbst erhaltendes System, das genau die Charaktere nach oben „durchlässt“, die nach den Regeln spielen. Ich habe das selbst als aktiver Parteipolitiker in früheren Jahren erfahren müssen. Nein, es braucht auch den Willen, das bestehende System zu hinterfragen, zu verändern und neue Verfahren und Ansätze auszuprobieren. Der größte Feind des Fortschritts ist die vermeintliche Alternativlosigkeit des Bestehenden. Das betrifft politische Institutionen ebenso wie religiöse. Wenn sie nicht so funktionieren, wie es heilsam wäre, dann müssen die Ursachen aufgedeckt und behoben werden. Denn sonst produzieren auch religiöse Organisationen immer wieder denselben Typus Mensch in Machtpositionen.
Sören Rekel-Bludau studierte Religionswissenschaft, Archäologie und Theologie in Göttingen und arbeitet derzeit beim Haus der Religionen in Hannover. Er lebt mit seiner vierköpfigen Familie in Hardegsen bei Göttingen.
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